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BFSG-Test: Barrierefreiheit im E-Commerce verlässlich prüfen

Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) zum 28. Juni 2025 sind auch viele privatwirtschaftliche Anbieter digitaler Dienstleistungen und Produkte in der Pflicht, ihre Angebote barrierefrei zu gestalten. Besonders betroffen ist der E-Commerce-Bereich: Webshops, digitale Kaufprozesse, Bestellformulare und Buchungsstrecken müssen den Anforderungen der europäischen Norm EN 301 549 entsprechen. Das gilt aber nicht nur für einzelne Bestellschritte, sondern umfasst den gesamten Prozess der Informationsbeschaffung und Entscheidungsfindung durch Verbraucherinnen und Verbraucher. Das bedeutet konkret: Nicht nur der Warenkorb-Checkout muss barrierefrei sein – auch alle relevanten Produktinformationen, Gebrauchsanleitungen, technischen Datenblätter, AGB, Widerrufsbelehrungen, Produktvideos oder Hilfetexte müssen ohne Einschränkung barrierefrei sein.

BIK BITV-Test Web (EN 301 549): Ein etabliertes Prüfverfahren

Der offizielle BIK BITV-Test Web wurde nicht erst im Zuge des BFSG an die Anforderungen der EN 301 549 angepasst und trägt deshalb den Zusatz (EN 301 549). Damit eignet er sich nicht nur für die Prüfung öffentlicher Websites im Sinne der BITV 2.0, sondern auch für die Bewertung digitaler Angebote gemäß BFSG.

Das Prüfverfahren ist ein standardisiertes Richtlinientestverfahren, das auf Grundlage der WCAG 2.1 (Level AA) arbeitet – ergänzt um spezifische Anforderungen der EN 301 549. Der Test wird durch ein qualitätsgesichertes Verfahren mit Erst- und Zweitprüfung sowie QS durchgeführt. Das Ergebnis kann zur internen Qualitätssicherung ebenso genutzt werden wie zum Nachweis gegenüber Aufsichtsbehörden oder zur Vorbereitung einer Selbstbewertung nach § 18 BFSGV, also einer Barrierefreiheitserklärung.

Was im E-Commerce barrierefrei sein muss

Das BFSG nimmt E-Commerce-Anbieter in mehrfacher Hinsicht in die Pflicht. Das Thema Barrierefreiheit betrifft unter anderem:

  • Produktbeschreibungen (Text, Bild, Audio, Video)
  • Preisangaben, Varianten und Lieferbedingungen
  • Gebrauchsanleitungen, technische Datenblätter, Sicherheitsinformationen
  • AGB, Widerrufsbelehrung, Zahlungs- und Lieferbedingungen
  • Registrierungsprozesse, Kundenkonten, Wunschlisten
  • Interaktive Funktionen, z. B. Filter, Konfiguratoren, Chatbots
  • Bestell- und Zahlungsprozesse (inkl. Statusverfolgung und Kommunikation)

Besonders kritisch sind Inhalte in PDF-Dokumenten – diese müssen ebenfalls maschinenlesbar und barrierefrei aufbereitet sein. Die Norm EN 301 549 nennt hierfür in Kapitle 10 klare Anforderungen. Im BIK BITV-Test Web (EN 301 549) werden PDF-Dokumente allerdings nicht mit getestet.

BIK-Test oder Barriere-Check Pro

Für Anbieter digitaler Produkte und Dienstleistungen im Sinne des BFSG stellt sich häufig die Frage, ob der BIK BITV-Test Web (EN 301 549) zur Prüfung der Barrierefreiheit ausreicht – oder ob darüberhinausgehende Verfahren sinnvoll sind.

Der BIK-Test ist ein standardisiertes Richtlinientestverfahren, das ausschließlich Verstöße gegen die in der Norm EN 301 549 bzw. die WCAG 2.1 (Level AA) beschriebenen Prüfkriterien dokumentiert. Er eignet sich hervorragend zur Nachweisführung gesetzlicher Konformität, etwa gegenüber der Marktüberwachungsstelle der Länder (MLBF).

Allerdings erfasst der BIK-Test nur das, was regelbasiert prüfbar ist – also Barrieren, für die es einen konkreten Prüfschritt innerhalb der Norm gibt. Reale Barrieren, die aber nicht explizit durch die Richtlinie abgedeckt sind, bleiben im BIK-Test außen vor.

Hier setzt der Barriere-Check Pro an. Anders als der BIK-Test ist er kein reiner Richtlinientest, sondern dokumentiert auch Barrieren, wenn sie real existieren, unabhängig davon, ob sie durch die Normen formal abgedeckt sind oder nicht. Der Barriere-Check Pro ist nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zum BIK-Test zu verstehen – insbesondere dann, wenn über die gesetzliche Mindestanforderung hinaus eine praxisnahe, nutzerorientierte Qualitätssicherung angestrebt wird.

Der Barriere-Check Pro ermöglicht es, sich außerhalb des normativen Korsetts zu bewegen und auch Best-Practice-Lösungen, Edge-Cases und Usability-Schwachstellen zu erfassen. Für Anbieter im E-Commerce, die nicht nur BFSG-konform, sondern wirklich barrierefrei sein wollen, ist der Barriere-Check Pro eine sinnvolle Ergänzung. Das Verfahren ist zudem in der offiziellen Handreichung des BFIT-Bund beschrieben und wird dort als eines von mehreren praxistauglichen Prüfverfahren genannt: Barriere-Check Pro in der BFIT-Bund-Handreichung

Rechtssicherheit schaffen

Ein professionelles Accessibility-Audit – egal ob auf Basis des BIK BITV-Test Web (EN 301 549) oder des Barriere-Check Pro – kann nicht nur dabei helfen Barrieren zu identifizieren, Lösungen aufzuzeigen und zukünftig gesetzliche Anforderungen zu erfüllen. Er signalisiert und dokumentiert auch die eigene Aktivität im Bereich der Barrierefreiheit und kann ein hilfreiches Instrument bei Verbraucherbeschwerden oder aufsichtsrechtlichen Maßnahmen durch die Marktüberwachungsstelle der Länder (MLBF) sein. Denn nur wenn man weiß, wo man in Bezug auf Barrierefreiheit bzw. die Umsetzung der Anforderungen aus BFSG und BFSGV steht, kann man angemessen reagieren.