Digitale Barrierefreiheit in Deutschland: Die rechtlichen Grundlagen im Überblick
Wer sich mit digitaler Barrierefreiheit beschäftigt, stößt schnell auf eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und technischen Standards. Auf den ersten Blick wirkt dieses Geflecht komplex – doch bei näherem Hinsehen zeigt sich ein klarer roter Faden: Alle Regelwerke verweisen letztlich auf einen gemeinsamen technischen Standard – die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1, insbesondere die Konformitätsstufen Level A und AA. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die zentralen gesetzlichen und normativen Grundlagen der IT-Barrierefreiheit in Deutschland und zeigen, wie sie miteinander verknüpft sind.
1. Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)
Das BGG ist das Fundament der Barrierefreiheit im öffentlichen Sektor. Es verpflichtet Bundesbehörden und öffentliche Stellen zur barrierefreien Gestaltung ihrer Angebote – auch im digitalen Raum. Es definiert Barrierefreiheit allgemein als die Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von Informationen und Diensten ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe.
2. Die BITV 2.0 – konkretisiert die Anforderungen
Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) konkretisiert die Anforderungen des BGG für Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen. Sie nimmt über die EN 301549 Kapitel 9 explizit Bezug auf die technischen Kriterien der WCAG 2.1. Wer eine BITV-konforme Website betreiben möchte, muss die Anforderungen der WCAG 2.1 mindestens auf Level AA umsetzen.
3. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Seit 2025 bringt das BFSG die Barrierefreiheit auch in den privaten Sektor – zumindest teilweise. Es verpflichtet Hersteller und Anbieter bestimmter Produkte und Dienstleistungen (z. B. Bankautomaten, E-Books, Online-Shops) zur Einhaltung von Barrierefreiheitsanforderungen. Auch hier wird – direkt oder über Bezugnahmen auf andere Normen – auf die WCAG verwiesen.
4. EN 301 549 – Die europäische Norm
Die EN 301 549 ist die europäische Norm, die Barrierefreiheitsanforderungen an IKT-Produkte und -Dienste beschreibt. Sie ist in vielen Bereichen verbindlich, etwa bei öffentlichen Ausschreibungen oder der Umsetzung der EU-Richtlinie über die Barrierefreiheit öffentlicher Stellen. Die Norm verweist direkt auf die WCAG 2.1 – auch hier also: derselbe Maßstab.
5. PDF/UA – Barrierefreiheit für PDF-Dokumente
Neben HTML-Inhalten spielen PDF-Dokumente nach wie vor eine große Rolle – gerade in der öffentlichen Verwaltung. Für sie gilt unter anderem der Standard PDF/UA (Universal Accessibility), festgelegt in der Norm DIN ISO 14289-1. Neben dem technischen PDF/UA Standard gelten aber auch für Dokumente die WCAG – auch hier wieder über das entsprechende Kapitel in der EN 301549.
Fazit: Alles führt zu den WCAG
Ob Gesetz, Verordnung oder Norm – in Deutschland und Europa führen fast alle rechtlichen Regelungen rund um digitale Barrierefreiheit auf denselben technischen Standard zurück: die WCAG in der jeweils gültigen Fassung. Wer barrierefreie digitale Angebote schaffen will – sei es im öffentlichen oder privaten Sektor – kommt an ihnen nicht vorbei. Für Projektverantwortliche bedeutet das: Wer die WCAG kennt und umsetzt, hat die wichtigsten rechtlichen Anforderungen bereits im Blick.